Review: Bitter Branches - This may hurt a bit (EP)

VÖ: DIY
Als ich im zarten Alter von 16 oder vielleicht 17 Jahren Tim Singer's Shouting auf Kiss it Goodbye's "She loves me, she loves me not.." zum ersten mal gehört habe, war ich beeindruckt. Singer hatte einen ganz eigenen, sehr extrovertierten Stil. Sein Shouting hörte sich wie ein unendlicher Monolog eines Geisteskranken an, der von einer diabolischen Macht befallen war. Selten schaffte es ein Shouter bei mir so viel Unbehagen auszulösen! Fast 20 Jahre später hat sich wenig daran geändert. Ich halte Singer's Stimme immer noch für eine der wenigen Hardcore-Stimmen die wirklich hängenbleiben. 

Wahnsinnig viel hat Tim Singer nach der Auflösung von Kiss it Goodbye Ende der 90er nicht gemacht. 2015 kam er zurück mit Process Black und einer Demo, erst letztes Jahr erschien dann ein 7inch auf Deathwish Records. Hier klang er nicht ganz so durchgeknallt wie bei Kiss it Goodbye und ordnete sich mehr der Musik unter. 

Bei seiner neuen Band Bitter Branches sieht das schon wieder etwas anders aus und so erinnert seine Darbietung schon frappierend an gute, alte Kiss it Goodbye-Zeiten. Ganz so zentral ist seine Stimme allerdings nicht, denn seine Mitstreiter haben die nötige Luft zum Atmen. Diese Luft müssen sie sich aber erkämpfen, denn Singer's symptomatische Atonalität & sein unerschöpfliches Charisma rücken die Vocals natürlich stark in den Mittelpunkt. 

Rein musikalisch sollte man sich keine Fortsetzung von Kiss it Goodbye oder deren Quasi-Vorgänger Deadguy erwarten. Singer's Kollegen sind nicht sonderlich bekannt, haben musikalisch aber hörbaren Einfluss auf die Entwicklung des Sounds gehabt. Die Tatsache, dass Drummer Jeff (ex-Walleye) und Gitarrist Matt (ex-Calvary) aus dem Emo/Postcore-Bereich kommen, bestätigt diese Vermutung. Allgemein ist "This may hurt a bit" sehr Gitarren-lastig, dabei erinnert vieles an Noise-Rock, Postcore, Alt-Rock oder Grunge aus den 90ern. The Jesus Lizard, Tar, Unsane, Shellac oder auch Helmet kommen mir in den Sinn. Die Gitarren haben diesen "Fuzzy"-Sound und sind unheimlich verspielt. Im Opener "Oil of Snakes" oder in "Broiler" hört man schon mal ausgedehnte Atmo-Parts und überhaupt sind die Klampfen über weite Strecken ziemlich melodisch. 

Und so ist "This may hurt a bit" eine sehr spannende Angelegenheit geworden. Die 5 Songs bieten in ihren rund 20 Minuten viel zu entdecken - vor allem wenn man sich etwas in Richtung "stupiden" Bulldozer-Hardcore erwartet hat, wird man überrascht sein von der musikalischen Vielfalt die Bitter Branches hier auffahren. Ein vielversprechendes Debüt, das mich durchaus erstaunt hat...

Rating: 7 von 10

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