Review: Died - Less Life
VÖ: Boul God |
Doch fangen wir von vorne an.
Died gründeten sich 2016 in New York. Sie haben keinen besonderen musikalischen Hintergrund. Zumindest keinen der mir bekannt wäre. Ich kann also nicht mit irgendwelchen Ex-Bands um mich schmeißen, um den Hintergrund der Band zu erklären. Klar scheint: Die Jungs lieben Post-Hardcore sämtlicher Dekaden und beweisen dabei einen ziemlich guten Geschmack. Mich erinnert diese Mischung aus mal mathy, mal noisy, mal Indie-angehauchten Post-Hardcore stark an die Welle, die um 2010 herum aus Großbritannien kam. Konkret denke ich an solche Bands wie Meet me in St. Louis, Broker, Blakfish oder deren Nachfolger &U&I. Aber das nur nebenbei.
Für diejenigen, die Post-Hardcore nicht so genau verfolgen, hier ein paar weitere, viel bekanntere Referenzen: Drive Like Jehu, At the Drive-In, Quicksand, Unwound, Slint. Aber auch eine ordentliche Prise vom "Popcore" der frühen bis mittleren 2000er-Jahre ist mit dabei. Denkt entfernt vielleicht an Thursday, Alexisonfire oder Recover. Auch an Finch anno "Say Hello to Sunshine" erinnert einiges. Oder an das letzte JR Ewing-Album.
Ganz schön viel Namedropping? Ja, zugegeben. Im Jahr' 2020 klingt "Less Life" aber vor allem eigenständig und frisch. Neben gutem Geschmack haben Died eben auch die anfangs erwähnten Anlagen. Das Riffing ist catchy und/oder episch und/oder lebendig und/oder atmosphärisch. Das vertrackte, stark Math-Rock-angefärbte Drumming ist über das ganze Album hinweg ein absolutes Highlight. Die ausdrucksstarken Vocals sind brutal abgeklärt - dabei empfinde ich es als SEHR angenehm, dass das Shouting eher spärlich eingesetzt wird. Last not least spielt das Quartett hervorragend zusammen und hat auch noch einen Sound den ich einfach mal als "crisp" bezeichne. Gemastered wurde "Less Life" von Will Killingsworth (Orchid), weil der aktuell an jeder spannenden Hardcore-Platte seine Finger hat.
Mehr als lobenswert ist für mich das Songwriting, das sowohl in Sachen Songlängen (vom 80-Sekünder über den 3- und 4-Minüter bis hin zum 7-Minuten-Rausschmeißer ist alles dabei) als auch in Sachen Variantenreichtum viel Ambition und Mut versprüht. So ein bisschen liegt da dann der Hund begraben. Denn die Tracklist ist am Ende daran Schuld, dass "Less Life" eben kein "Instant Classic" geworden ist. Nach der grandiosen ersten Hälfte (mit dem energischen Opener "Boxwood", dem größten Hit "Oja de Macao" & dem elegant-epischen Midtempo-Kriecher "Busy Man"), können Died leider keinen mehr drauf legen. "Less is more" hat Charme, kommt jedoch nicht richtig aus den Puschen, "The Trial" dreht sich 5 Minuten lang im Kreis, während das ruhige Geklimper von "DN Muzik" zwar eine weitere Facette der Band zeigt, doch wenig zum Plattenverlauf beiträgt. Erst mit dem Closer "Died" (eine wieder aufgenommene Version von der 2017er-EP) finden die New Yorker wieder zurück in die Spur und beschließen ihr Debütalbum auf hohem Niveau.
Trotz dem zwischenzeitlichen Schluckauf ist "Less Life" eine unglaublich gute Scheibe geworden, die jeder Post-Hardcore-Liebhaber anchecken muss! Jegliches Jammern ist im Grunde unangebracht. Denn wenn Died auf diesem sackstarken Full Length-Einstand aufbauen, dann wird der Klassiker schon bald von selbst kommen...
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