Review: Static Intervals - To the Surface

VĂ–: Middle Man Records
So ein bisschen vermisse ich die Zeit meiner persönlichen "go to"-Labels in Sachen Screamo/Emo. Labels wie React with Protest, Adagio 830, Moment of Collapse, ja, mit Abstrichen auch Denovali Records. Oder die 90er-Jahre-Institutionen von Ebullition & Gravity. Das waren Labels denen man blind vertrauen konnte, auf deren neue Releases man aus reiner Erwartungshaltung heraus MEHR als ein Ohr warf!

Wenn in den letzten 10 Jahren ein Label in die Fußstapfen von Ebullition, Gravity oder RWP getreten ist, dann ist das ohne jeden Zweifel Middle Man Records aus Indiana. Das Label besteht zwar schon seit 1994 (!!!), lag zwischendrin aber mehr als brach und veröffentlichte in seinen ersten 15 Jahren nur eine Handvoll Releases. Erst von 2010 weg kam eine Beständigkeit dahinter, allen voran gepusht durch Coma Regalia, der Kapelle von Label-Betreiber Shawn Michael Decker. Mittlerweile sind über 150 Scheiben auf Middle Man Records erschienen, darunter einige Screamo-Perlen der letzten Dekade...

Die neueste Veröffentlichung ist das Debütalbum von Static Intervals. Eine Band, die beinahe sowas wie ein Solo-Projekt von Shawn Decker ist, denn neben dem Einspielen aller Instrumente, dem Gesang, Aufnahme, Produktion & Mastering, gestaltete der Tausendsassa auch das Artwork der handgemachten CD. Wie ich allerdings schon anmerkte... BEINAHE! Denn an der Vocal-Front bekommt Shawn Unterstützung von Lauren Decker. Ich bin leider zu wenig über die familiären Verhältnisse der Deckers informiert, vermute jetzt aber einfach mal, dass die beiden Geschwister sind, möglicherweise ist Lauren auch seine Frau. Doch bevor ich mich um Hals und Kragen rede, zurück zur Musik!

Die zusätzlichen Vocals sind nämlich das Merkmal, das Static Intervals am augenscheinlichsten von Shawn's Hauptband Coma Regalia abgrenzt. Das Screamo-Rad wird hier also keinesfalls neu erfunden und es gibt natürlich diverse Parallelen bei den Gruppen. Selbst wenn man sich bemüht die beiden nicht zu sehr miteinander zu vergleichen, fällt dies gar nicht einfach, schließlich ist das neue Coma Regalia-Album "Marked" nur wenige Wochen alt...

Grundsätzlich rasen Static Intervals nicht ganz so krass durch die Songs hindurch. Das Tempo ist etwas gedrosselter, die Songstrukturen sind nicht ganz so chaotisch, das Geschrei nicht ganz so heftig und die einzelnen Stücke sind dementsprechend länger. Wobei wir von 8 Songs in 20 Minuten reden. Episch geht anders. "Screamo by the books", also. Ja. Nein. Ja... und nein! Anno 2020 klingt das was die Deckers machen nämlich doch recht frisch. Die runtergeschraubten Gitarren, die episch-apokalyptischen Melodiebögen, die häufigeren laut/leise-Wechsel, die Chugga Chugga-Riffs, aber auch der kernige, oft gar noisige Sound katapultieren "To the Surface" dann doch in ein anderes Fahrwasser als Coma Regalia. Allgemein würd' ich's damit ganz plump ausdrücken: Weniger Screamo. Mehr (Post-)Hardcore. Mehr Emo.

Musikalisch erinnert mich zwar einiges an Battle of Wolf 359, Kaddish oder die Ebullition-Abteilung, die Tatsache, dass Static Intervals aber auf die schnellen Blasts und das heftige Geschrei verzichten, verleiht dem Album einen originellen Touch. Tatsächlich sind es am Ende die Vocals, die viel dazu beitragen. Zumeist sind die Vocals gedoppelt, was hervorragend funktioniert, da sich die beiden Stimmen hörbar genug voneinander unterscheiden. Nur ganz selten agiert eine Stimme alleine, zumeist dann, wenn Shawn einen spoken world-Part einstreut. Ich verstehe hier zwar den Ansatz und halte ihn fĂĽr frisch, im Verlauft hätte ich mir aber etwas mehr Variation gewĂĽnscht. Diese Variation hätte die Angelegenheit noch spannender machen können. 

Trotz der dezenten Kritik am Ende halte ich "To the Surface" für ein verdammt spannendes, lebendiges Album, das auf Anhieb mehr Neues auf den Tisch bringt als das letzte Coma Regalia-Album oder andere Genre-Releases der letzten Zeit. Ergo: Wer Screamo mag, sollte dem Teil unbedingt ein paar Durchläufe gönnen!

Rating: 7 von 10

Static Intervals auf Bandcamp

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