Review: Goodie Mob - Survival Kit

VÖ: DIY
Anfang/Mitte der 90er waren die Ost- und die Westküste im amerikanischen Hip-Hop so dominant, dass es der Süden schwer hatte dagegen zu halten. Von 1992 weg formierte sich langsam aber sicher eine starke Szene, die eine willkommene Abwechslung zu New York oder L.A. bot. Zusammen mit Scarface, UGK, Three 6 Mafia und natürlich OutKast gehörten Goodie Mob zum festen Kern der "Dirty South"-Bewegung. Goodie Mob & OutKast waren auch Teil der "Dungeon Family", doch obwohl beide Gruppen lange gleich auf waren, waren es schlussendlich Andre 3000 & Big Boi die kommerziell so richtig durchgestartet sind, während Goodie Mob irgendwann in der Versenkung verschwand.

Dabei war das Potenzial immer vorhanden. Die beiden ersten LPs "Soul Food" und "Still Standing" zähle ich persönlich zu den besten Hip-Hop-Alben der 90er, ja, ich denke, qualitativ waren Goodie Mob damit in Schlagweite zu den damaligen OutKast-Veröffentlichungen. Doch wo diese dann ihren Bestseller "Stankonia" hinterherlegten, da war das dritte Goodie Mob-Album "World Party" eine große Enttäuschung. Mit den Comebacks in 2004 & 2013 fanden Goodie Mob auch nicht zurück in die Spur, also was liegt da näher, als es mit einem dritten Reunion-Album zu versuchen?

Ich bin wohl etwas harsch, denn kommerziell hat das wohl alles immer noch seine Daseinsberechtigung - das letzte Album "Age against the Machine" kam immerhin auf Platz 30 der amerikanischen Album-Charts, selbst wenn es nicht an alte Stärken rankam. Viele Stimmen zu "Survival Kit" versprechen nun eine Rückkehr zu genau diesen! Und ja, ich kann's bestätigen: Album Nummer 6 ist auch für mich das beste Album seit "Still Standing". Aber was bedeutet das schon?!

Der Beginn ist jedenfalls mal was anderes, mit dem Feature von Public Enemy's Chuck D. Und tja, er drückt dem Song auch gleich seinen eigenen Stempel auf. Ein Album in dem Stil hätte ich nicht ertragen, was aber auch daran liegen mag, dass ich nicht der größte PE-Fan bin. Antiklimatischer Einstieg, doch mit "Frontline" wird's besser. Der Song ist sowas wie eine Ode auf das verkorkste 2020 und wäre definitiv der bessere Opener gewesen. "Curry Goat" ist funky, mit Trompeten und gutem Groove, auch das ist ein Trademark von Goodie Mob. Nun folgen die Features der beiden OutKast-Mitglieder, was natürlich ein schöner "Homecoming"-Effekt ist, schließlich waren die Jungs das letzte mal bei "Still Standing" auf einem Goodie Mob-Output vertreten.

"No Cigar" mit Andre 3000 ist ein moderner Track mit Techno-mäßigen Plucker-Beats. Geht klar und geht gut rein, aber platziert sich für mich eher im qualitativen Mittelfeld der LP. "Prey 4 da Sheep" mit Big Boi gehört für mich hingegen zu den Highlights des Albums und ist schon viel klassischer gehalten, mit einem coolen, entspannten Beat und einer starken Hookline. "4 my Ppl" wird dominiert von Cee-Lo Green und ist ähnlich eingängig, der Vogel wird dann mit "Off-Road" abgeschossen, bei dem Reggae und Gospel miteinander verkuppelt werden.

Danach verliert mich das Album etwas, fängt mich mit dem chilligen "Back2Back" und dem Titelsong jedoch wieder ein. Letzgenannter ist ein straighter, düsterer Rap-Song und fügt der Scheibe eine weitere Facette hinzu. "Calm b4 da Storm" folgt dieser Marschrichtung, ist allerdings deutlich langsamer, während der Closer "Amazing Grays" melodisch-melancholisch daherkommt und das überzeugende Schluss-Quartett komplettiert. Irre eigentlich, denn ich müsste jetzt schon SEHR lange überlegen, damit mir ein Hip-Hop-Album einfällt, bei dem mir das letzte Drittel am besten gefällt...

Am Ende muss ich beim Urteil zu "Survival Kit" fast etwa Mathematik anwenden, doch ich denke, die positiven Momente überwiegen dezent. Alleine das macht das neue Goodie Mob-Album zu einer netten Überraschung, denn meine Erwartungshaltung ging gegen Null. Anders betrachtet: Wenn Goodie Mob sich auf das konzentrieren, was sie am besten können (wie in "Prey 4 da Sheep", Calm b4 da Storm" oder dem Titeltrack), kommen sie durchaus an alte Glanztaten ran und zeigen somit, dass mit dem neuen Album mehr drin gewesen wäre. 

Doch anscheinend war's dem Kollektiv wichtiger ein stilistisch facettenreiches Album zu machen, was dann natürlich in viele "hit or miss"-Momente ausartet - Stücke wie den schrecklichen Opener, das Andre 3000-Feature oder das süß gemeinte "Off-Road" hätte ich persönlich nicht gebraucht. Und überhaupt sind mir die Beats über weite Strecken viel zu spacey-elektronisch und/oder zu unspektakulär. Die Vielfalt von "Survival Kit" ist beeindruckend, doch mit mehr Stringenz und weniger Bullshit hätten mich Goodie Mob eher abgeholt. 

Rating: 6 von 10

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