Review: Cower - Boys

VÖ: Human Worth
Wenn sich Musiker mit einem gewissen Background zusammentun, um mit einem neuen Projekt etwas völlig anders zu probieren, kann das entweder schrecklich in die Hose gehen oder verdammt spannend klingen. Im Fall von Cower aus UK ist definitiv Letzteres der Fall.

Das Line-Up lässt erstmal vermuten, dass man die kommende halbe Stunde ordentlich auf's Maul bekommen wird. Sänger Tom Lacey spielte zuvor u.a. bei der angepissten Brutalo-Hardcore-Band The Ghost of a Tousand, während seine Mitstreiter Gareth Thomas (Silent Front, USA Nails) und Wayne Adams (u.a. Dead Arms, Death Pedals) in puren Noise- oder noise-infizierten Postcore-Bands spielten.

Das neue Projekt Cower hat sicherlich einen gewissen Noise-Anteil, geht jedoch in eine andere Richtung und ist über weite Strecken deutlich ruhiger, als man das erahnen konnte. Insofern war auch das vorab veröffentlichte "Enough" eine klare Finte, denn dieser Song ist zusammen mit "Proton Lion-Tamer" der direkteste Brecher auf "Boys"! Grundsätzlich mischt das Trio so einige Stile zusammen, um am Ende sehr eigenständig zu klingen. Post-Punk trifft auf Goth-Rock/Pop trifft auf Noise-Rock trifft auf Garage Rock, könnte man sagen. Hinzu kommt ab und an auch etwas schneller, direkter HC/Punk und ein Drone/Industrial-mäßiger Vibe wie in erwähntem "Proton Lion-Tamer" oder "Park Jogger". Man hört so einiges von der Vergangenheit der Bandmitglieder raus, genauso wie völlig neue Elemente. 

Im Geiste sind Cower durchaus mit Legenden der Marke Joy Division oder New Order verwandt, musikalisch gibt es allerdings so einige Unterschiede. Synths und dieser ganze New Wave-Brimborium spielen nämlich eine untergeordnete Rolle, stattdessen setzen Cower auf experimentelles Songwriting, eine durchwegs düstere Atmosphäre und viel Abwechslung. Da ich ein großer Martin Gore-Fan bin, stehe ich voll auf die balladesken Nummern wie "Saxophone by the Water" oder "For the Boys", die sich anhören wie eine alternative, ultra-düstere Version der Depeche Mode-Klassikern "Judas" oder "Home". Überhaupt ist der Mix aus direkten, noisigen, verworrenen Momenten auf der einen und ruhigen, mysteriösen, aber keinesfalls seichten Momenten auf der anderen Seite über den Albumverlauf hinweg ziemlich ausgewogen und gut gelungen. 

Obwohl "Boys" nicht mal die 30-Minuten-Marke durchbricht, braucht man viele, viele Durchläufe um diese Scheibe vollkommen zu fühlen und richtig einordnen zu können. Und selbst dann behält die Platte immer seine Mysteriösität und eine gewisse Spannung. Klare Empfehlung meinerseits, sowohl für Hörer die eher aus dem Post-Punk/Gothic-Lager kommen als auch für Hörer, die es gerne härter, verzwackter und noisiger mögen.

Rating: 8 von 10


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