Jimmy Eat World - Phoenix Sessions: Clarity
Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Und verleiten einen wohl zu besonderen Entscheidungen. Denn hätte mir vor einigen Monaten noch jemand erzählt, dass ich für ein Stream-Konzert Geld ausgeben würde, hätte ich ihn definitiv für verrückt erklärt.
Jimmy Eat World haben's allerdings ganz geschickt angestellt. Denn so sehr ich das Schaffen der Herren schätze, so sehr denke ich, dass "Clarity" ihr mit Abstand bestes Album ist. Und nebenbei wohl locker in meiner persönlichen "All-Time-Top-10". Genau dieses wurde nun gestern in Gänze dargeboten. Im Stream-Konzert. Zwar nicht live, sondern aufgezeichnet, so ein bisschen Konzert-Feeling machte sich aber schon breit bei mir. "Konzert-Feeling anno 2021", wohl.
Die Pre-Show habe ich leider versäumt, weil es mir wohl wichtiger war Sunny Day Real Estate's pinkes Album zu hören. Ja, SDRE waren sowas wie meine "Vorband". Nebenbei habe ich aufgeregt Mails hin und her geschickt. Um 22:51 Uhr erreichte mich dann eine Mail von John Szuch, seines Zeichens Begründer von Deep Elm Records. Ok, die Mail kam nicht direkt von ihm, sondern von seiner entzückenden PR-Lady, doch spätestens da stand für mich fest: Dieser Abend ist besonders.
Nach einem 5-Minuten-Countdown legten Jimmy Eat World ohne große Ansagen drauf los. Überhaupt gab es während des ganzen Sets nur eine Ansage und die folgte als das Set schon eine halbe Stunde alt war. Eine richtig gute Entscheidung, da man versprach das Album in voller Länge zu spielen und unnötiges Gelaber in so einem Fall einfach nur gestört hätte. Direkt kam zwar wenig Live-Feeling auf und man muss vermuten, dass mit einigen Pausen/harten Schnitten gearbeitet wurde. Öfter erlosch das Licht nach dem Ende eines Songs komplett und bäumte sich erst wieder auf, als es mit dem nächsten Song weiterging...
Der Sound war schlicht hervorragend und ich denke als "Clarity"-Fan kann man an der Darbietung an und für sich NICHTS aussetzen. Selbst wenn es 22 oder 23 Jahre her ist, als Jimmy Eat World diese Songs eingespielt haben, haben sie sich sehr nahe am Sound und Gefühl der Stücke gehalten. Und das war einfach Gold wert! Überhaupt ist "Clarity" ein Album, das sich für so eine "Live-Darbietung" hervorragend eignet. Denn als einer der ganz ganz wenigen Langspieler, ist "Clarity" eine Platte, die immer und immer besser wird, je weiter man drin ist. Ich persönlich finde ja, dass die Platte erst "so richtig" mit "Ten" anfängt und von da an ist die Platte schlicht das Beste, das jemals auf einen Tonträger gepresst wurde...
Gewöhnungsbedürftig sind solche Stream-Konzerte insofern, weil ich schnell den Drang dazu habe, mich zu bewegen. Deshalb hab' ich das Ding auch auf meinem TV gestreamt, was der Soundqualität natürlich nicht besonders gut getan hat. Zudem sagt meine Kiste irgendwann "nein", wenn ich die Lautstärke auf ein bestimmtes Level drehe, sodass es keinen Unterschied mehr macht, ob ich das Ding auf "50" oder auf "100" habe. Aber nun ja, da bin ich wohl nicht so gut ausgestattet.
Ich persönlich wäre dann auch bereit gewesen mir 16 Minuten lang zu "Goodbye Sky Harbour" die Seele aus dem Leibe zu tanzen.... doch die Band beschloss, eine stark gekappte Version des Closers zu spielen. Irgendwo verständlich, dass sie nicht 10 Minuten lang den selben Part spielen wollten.
Die Darstellung des Ganzen war sympathisch unaufgeregt und reduziert. Je nach Song und Stimmung gab es unterschiedliche Beleuchtung und der Schnitt war gut und nicht zu ĂĽberdreht. Von Masken blieben wir verschont, dafĂĽr hielten die FĂĽnf den Sicherheitsabstand brav ein.
Am Ende hatte ich eine richtig gute Zeit damit und bereue es nicht Teil davon gewesen zu sein. "Clarity" ist ein ganz besonderes, unkaputtbares Album, das mich in voller Länge immer mitreißt und mit dem ich so viele gute, wie miese Erinnerungen verbinde. Und der Band gelang es an diesem Abend hervorragend diese Erinnerungen an meinem Auge vorbeiziehen zu lassen...
...die Trophäen neben Jim waren wohl ein kleines "Easter Egg", das möglicherweise auf einen "Bleed American"-Stream hinweist. Würde nur Sinn machen nach "Clarity". Viel lieber wäre mir allerdings, wenn Jimmy Eat World und all' die anderen Bands bald wieder vor richtigem Publikum spielen könnten. Denn selbst wenn es etwas hatte, nach diesem Konzert, ohne großartigen Heimweg, direkt in sein Bett zu fallen, vermisste ich den Geruch von Schweiß und diversen anderen Körpergerüchen... so pervers das auch klingen mag?! Stream my ass!
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