Review: Fabio - Was ich bin (EP)

Label: DIY

FABIO ist ein Musiker aus Hessen, der die Jahre davor als Sänger und Gitarrist von STAY FOCUSED agierte und nun sein Glück als Solo-Künstler versucht. Offensichtlich ist er dabei vom Twinkle-Emo der letzten 10 Jahre stark beeinflusst. FABIO als der deutsche Keith Latinen? Nein, nicht ganz, zumindest noch nicht. Und dennoch beweist er mit seiner Debüt-EP allerlei Talent und sehr viel Herz.

Die AMERICAN FOOTBALL-Gedächtnis-Gitarre eröffnet die EP, was ich in dem Kontext schon relativ cool finde. Vielleicht bin ich zu wenig drin im deutschen Emo-Untergrund (sollte es ihn überhaupt geben), doch zumindest fällt mir spontan keine deutschsprachige Combo ein, die derartiges mal gemacht hat. Der Opener "Noch so ein Jahr" ist ein Song über die Lockdowns und das Social-Distancing von 2020. Nicht nur wegen der erneut brandaktuellen Thematik, sondern auch wegen dem eingängigen Charakter des Stückes, bin ich mir sicher, dass das Ding ein absoluter Radio-Hit wäre, wenn FABIO bereits das dazu nötige Rampenlicht hätte. Radio? Ja, durchaus. Denn auch wenn Emo die Ausgangsbasis ist, geht's im akustisch und dennoch beschwingten Stil in Richtung Indie-Pop oder nunja, lupenreinen Pop. FABIO ist aber keineswegs zu glatt, was eine Textzeile wie "mir ist egal wie viele Menschen sterben, ich will nur nicht selbst am Strick gefunden werden" eindrucksvoll unter Beweis stellt. Damit bekommt das süßlich-einlullende Flair des Liedes ganz plötzlich eine überraschende Schwere.

"Was ich immer wollte" ist dann dezente Emo-Dramatik aus dem "Lehrbuch". Ein Song über Selbstfindung, Selbstliebe und Orientierungslosigkeit. Ein weiterer Hit, besonders das Ende ist einfach wunderschön. Auch im dritten Song "Was ich hatte" schafft es FABIO sich geschickt an Liebes- und Trennungsschnulzen vorbei zu manövrieren. Wie respektabel ist das denn, bitte? "Was ich hatte" ist ein Stück über Freundschaft, das Erwachsenwerden als Freunde und übermittelt unterschwellig die Botschaft, dass man öfter mal glücklich sein soll, mit dem was man hat. Auch sehr rührend, das. Der letzte Part, in dem einige seiner Freunde Gast-Vocals beisteuern, macht das Stück im Nu zur perfekten Kumpel-Hymne!

Persönlich muss ich sagen, dass mir die Vocals etwas zu clean sind, aber das ist wohl ein Resultat aus FABIO's Stil und meinem eigenen Geschmack. Mit den cleveren und äußerst tiefsinnigen Texten und dem eingängigen sowie öfter mal originellen Songwriting macht FABIO das allerdings locker wieder wett. Drängt man "Was ich bin" gedanklich nicht zu stark in die Midwest-Emo-Ecke, sondern sieht es in der Schnittmenge von Emo, Indie & Pop, dann muss man hier ganz fest den Hut ziehen. Das hat Potenzial für eine steile Karriere, ja, in einer perfekten Welt würde sowas bereits jetzt im Radio laufen, wenn man morgens in die Arbeit fährt...

Rating: 7.5 von 10

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