Extended Play 2020

20 // Cauldron // Last Words: Screamed 
from behind God's Muzzle

In einem Jahr in dem mich Metalcore eher kalt gelassen hat, zählt "Last Words" für mich zu den wenigen Highlights. Die Briten stechen in erster Linie durch ihre Ausrichtung hervor, denn das Ganze ist weder in den tiefen 90ern noch in der Neuzeit verwurzelt, sondern erinnert an Bands die in den Spät-90ern und frühen 2000ern aktiv waren - ich denke da an 7 Angels 7 Plagues, Disembodied, Throwdown oder Zao. Allein dadurch fühlt sich "Last Words" frisch an, selbst wenn es nichts neu erfindet.



19 // Gone Wrong // All your Rage

Ausgerechnet ein Haufen voll' Teenager liefert den "80s Hardcore Flavour of the Year" ab. Gone Wrong klingen so, als ob jemand die Zeiten von Black Flag oder Minor Threat in die Gegenwart befördert hätte. Das ist roh, puristisch, abgefuckt und authentisch. (Mini-Review)



18 // Easy Prey // Relentless Struggle

"Relentless Struggle" gibt dir die volle Dosis an AmRep-Noise-Rock-Post-Hardcore und kombiniert diese in Tracks wie "Fever Dream" & "A Study in Acute Narcissism" mit einer guten Portion epischer Melodik. Coole Mischung, die Lust auf mehr macht! (Mini-Review)



17 // Bitter Branches // This may hurt a bit

Tim Singer macht wieder das, was er am besten kann: Shouten und dabei wie ein Psycho rüberkommen. Zwar nicht ganz so psycho wie zu guten, alten Kiss it Goodbye-Zeiten, doch es macht Spaß, dieses Original wieder zu hören. Die wahre Überraschung liefern aber seine Mitstreiter, da Bitter Branches auf ihrer Debüt-EP weit entfernt sind von purem Metal- oder Mathcore - stattdessen gibt es diverse Ausflüge in Richtung Postcore, Noise-Rock und Alt-Rock. Eine überraschend abwechslungsreiche Platte! (Review)



16 // Chimes of Bayonets // Archiver

So "clunky" wie ihr Name hört sich auch die Musik der New Yorker an. Denn "Archiver" tönt schon sehr rumpelig aus den Boxen, was wohl durchaus so gewollt ist. Chimes of Bayonets ordnen sich irgendwo zwischen Post-Hardcore und Emo im Stile der 90er ein und klingen damit wie eine Kreuzung aus Braid, Karate, Jawbox und anderen Dischord-Bands. Poliert geht anderes, charmant und spannend ist "Archiver" aber sowas von!



15 // Brahm // Without Honor and Humanity

Diese neue Band aus San Jose gewinnt zwar keine Innovationspreise, macht jedoch einen soliden Job, wenn es darum geht, den Sound von Loma Prieta oder Beau Navire wieder einzufangen. Melodien und Screamo-Intensität verschmelzen zu einer richtigen Einheit. Gut gefallen mir vor allem die nahtlosen Übergänge der 4 Tracks, die die EP wie ein Gesamtwerk erscheinen lassen. (Review)



14 // Counsels // Counsels

Mit der neuen Midwest-Emo-Welle kann ich persönlich ja nicht so viel anfangen. Ihr wisst schon, das sind die Bands, die entweder Collagen oder ulkige Real-Life-Bilder auf ihren Plattencovern haben. Nun gut, Counsels benutzen für ihre Debüt-EP auch ein Real-Life-Bild, doch zumindest ist es nicht gewollt überdrehter Hipster-Scheiß! Worauf ich hinaus will? Na, in einem Jahr in dem Midwest-Emo nicht gerade meine Zufluchtstätte Nummero 1 war, da waren die Leipziger ein absoluter Lichtblick. Das ist bodenständig, unaufgeregt und gerade deswegen so charmant. (Review)



12 // Oma Oklahoma // Normalnull

Der Name ist zwar irgendwie doof, weil er gar nicht zur Band passen mag, doch abgesehen davon sind die Hamburger mit ihrem nachdenklichen Emo-Punk eine echte Bereicherung. Bei "Emo-Punk", "Hamburg" & "nachdenklich" muss man unweigerlich an Captain Planet denken, tatsächlich haben Oma Oklahoma wenig mit dieser Referenz gemein und lassen sich grundsätzlich nicht so leicht festnageln. Die Texte sind verkopft, aber nicht so verkopft, dass die Band hochnäsig oder pseudointellektuell rüberkommt - im Gegenteil, das ist phasenweise ziemlich klug und erfrischend anders. Musikalisch sollten sie sowieso jeden an den Eiern haben, der irgendwas mit deutschem Emo-Punk anfangen kann, selbst wenn die ganz großen Hooks fehlen. (Mini-Review)



12 // Rid of me // Summer

Rid of me profitieren ungemein von ihrer charismatischen Shouterin Itarya, die auf "Summer" auch noch verdammt gut klingt! Ihre Bandmates bieten ihr die dazu passende RĂĽckendeckung, mit einer gleichermaĂźen spannungsgeladenen wie originellen Mischung aus Noise-Rock, Post-Punk und purem, schnellen Punkrock. Und mit "Pit" haben sie einen der besten Opener aus 2020 am Start! (Mini-Review)



11 // VAC // II

Die Band aus dem amerikanischen Midwesten tut wenig dafür um sich ein Gesicht zu verschaffen. Infos zur Band findet man kaum, weder EP noch Songs haben einen Namen und zum krönenden Abschluss vermischen VAC auch noch Elemente von Hardcore, Post-Hardcore, Post-Rock, Screamo, Sludge und Noise-Rock, was heutzutage kein neuer Hut mehr ist. Am Ende erreichen die Mannen aber wohl das, was sie wollten: Die Musik spricht für sich alleine. Und sie ist so gut, dass sie das auch kann. "II" hat zentnerweise düstere Atmosphäre und gute Einfälle. Möchte man Musik nicht auf einem glänzenden Silbertablett serviert bekommen, ist man bei VAC an der richtigen Adresse! (Review)



10 // Gumm // Piece it together

Ich bin froh, dass ich diese EP entdeckt habe - denn das Durchkämmen der Gumm-Discographie hat mir viel Spaß gemacht. Dabei habe ich den Eindruck bekommen, dass die Band aus dem Süden der Vereinigten Staaten immer wieder etwas Neues ausprobiert, was jeder der 3 EPs seinen eigenen Touch verleiht. "Piece it togehter" scheint nomen est omen zu sein, denn die Band hat ihren Sound nun definiert, klingt runder, produzierter, kommt besser auf den Punkt und ist dabei nicht mehr ganz so experimentell wie davor. Wenn das nicht optimale Grundlagen für ein Full Length sind? (Review)



9 // Karina Kvist // Nur was, ist die Frage

Es gibt ja kaum mehr deutsche Bands, die diesen 90er-Schrei-Emo-Sound im Stile von Manku Kapak, Yage, Kill.Kim.Novak oder Jet Black spielen, da leuchtet eine Band wie Karina Kvist natürlich umso stärker. Die Kumpels von Farbenflucht haben mich heuer nicht ganz so überzeugt, doch "Nur was, ist die Frage" trifft mich mit seinem nostalgischen Sound einfach mitten ins Herz. Das ist so verdammt authentisch, dass den Bambergern für meine Ansprüche auch mediokre Songs genügt hätten. Ist aber nicht so, denn die Songs überzeugen genauso und das Sahnehäubchen obendrauf sind diese cleveren Texte voll' von Selbstzweifeln und sensiblen Gefühlen. (Mini-Review)



8 // Long Story Short // Entangled

Dieses Jahr hab ich meine Liebe für Pop-Punk wieder entdeckt und mir einige alte Klassiker öfter angehört - sowas wie Long Story Short's "Entangled" fällt im Normalfall jedoch selten in mein Beuteschema. Die Jungs aus Kanada spielen nämlich einen extrem poppigen, melodiösen und cleanen Sound, der die "Cheesyness"-Grenze eigentlich klar überschreiten sollte. Long Story Short schrammen an dieser Grenze allerdings knapp vorbei, was allen voran an der hohen Musikalität und dem starken Songwriting liegt. Und ein bisschen Punch haben sie sich obendrein auch noch bewahrt. Diese 4 Songs machen einfach Spaß! Punkt. (Review)



7 // Shadow People // Batom Rouge

"Emotional Sludge-Punk"? Nagel auf Kopf, denk ich. Das liest sich eigenartig und es klingt auch so, ist im Endeffekt aber eine der frischesten HC-Platten des Jahres. Die Band aus Louisiana vermischt Screamo/Emo mit chaotischem Hardcore, Sludge und fast schon Dischord-/Unwound-mäßigen Post-Hardcore. Was in einem Moment schnell und destruktiv ist, ist im Nächsten wieder melodisch und gefühlsvoll. Eine verdammt spannende, originelle Band und eine ebenso spannende wie originelle EP. Die ebenfalls in diesem Jahr veröffentlichte "Washing in Soap Opera"-EP hätte sich im Grunde ebenso einen Platz verdient gehabt, repräsentativ für beide steht hier allerdings das facettenreichere und auch hitverdächtigere "Batom Rouge".



6 // Lorne Malvo // Lorne Malvo

Schon im Frühjahr erschienen, hab ich diese EP erst im Herbst durch den Release auf Zegema Beach Records entdeckt. Und trotzdem scheinen die Franzosen im hervorragenden Screamo-Jahr etwas untergegangen zu sein. Was schade ist, denn derart überzeugt war ich schon lange nicht mehr von Post-Rock-infiziertem Screamo. Die Vorbilder sind mit den Landsleuten von Daitro oder Aussitot Mort nur allzu offensichtlich, Lorne Malvo eifern diesen großen Namen allerdings nicht nach, nein, sie machen sich bereits mit ihrem Debüt dazu auf in die Fußstapfen dieser Bands zu treten. Per se bin ich ja nicht der größte Fan vom Screamo-Post-Rock-Gemisch, doch Lorne Malvo spielen diesen Stil GENAU SO, wie er mir zusagt. Der Sound ist erhaben und atmosphärisch, die Emotionen am Anschlag und -ganz ganz wichtig- es passiert immer etwas. Euro-Screamo zum Dahinschmelzen!



5 // Dissolve // Until the Drugs wear off

Geht es um 90er-Metalcore, würde ich mich durchaus als Nerd bezeichnen. Ich bin nicht allwissend, doch ich denke, dass ich die meisten Metalcore-Bands aus den 90ern zumindest mal gehört habe. Kaum zu glauben, dass Dissolve dabei immer an mir vorbeigegangen sind und ich sie erst durch ihr 2020er-Werk kennengelernt habe. Für die Tatsache, dass diese EP hier fünf alte Säcke geschrieben haben, die seit 1991 aktiv sind und nun in vier verschiedenen Dekaden Material rausgebracht haben, klingt "Until the Drugs wear off" unheimlich frisch, spannend, kreativ und hungrig. Die Basis ist Metalcore à la Botch, Drowningman, Deadguy oder Coalesce - auf diesem Grundgerüst wird dann aber munter experimentiert. Cool dabei finde ich, dass es nicht in die typische Frickel-Ecke geht, stattdessen setzen Dissolve mehr auf fette Riffs und die gute, alte Dampfwalze. Bester Metalcore des Jahres? Aber sowas von!



4 // awakebutstillinbed // Stay who you are

Diese EP war eine schöne Weihnachtsüberraschung und ich hoffe inständig, sie ist ein Wegweiser für awakebutstillinbed. "Stay who you are" ist eine Riesen-Steigerung zum schon sehr gelungenen Album aus 2018. Ich schätze vor allem den ruhigen, zurückgelehnten Charakter der 3 Songs, phasenweise ist das schon halb-akustisch und genau DAS steht der Band hervorragend. Frontfrau Shannon überstrahlt natürlich alles mit ihrem zerbrechlichen, ausdrucksstarken und übrigens ebenso gesteigerten Gesang, den wundervollen Emo-Texten und einer heute kaum mehr erreichten Intimität, die einen mitten ins Geschehen zieht. Und die Songs sind einfach gut. Vielleicht sogar der beste Midwest-Emo des Jahres!



3 // The Yaupon Holly // The Yaupon Holly

Irre eigentlich, dass mein guter Kollege Steff auf Crossed Letters die einzige Person im groĂźen, weiten Internet war, der ein paar Zeilen zu The Yaupon Holly geschrieben hat. Und nein, Steff, ich kann dich beruhigen, ich bin bei meiner Recherche ebenso dauernd auf diese eigenartige Pflanze gestoĂźen! Die Band aus Gainesville/Florida ist aber auch ein gutes Beispiel dafĂĽr, wie man es selbst 2020 noch schafft 100% Underground zu bleiben. Es gibt zwar eine Bandcamp-Page, doch diese ist sehr schlicht und gibt einem keine weiteren Infos. Facebook- & Instagram-Account fehlen, genauso wie Erwähnungen auf weiteren Seiten. Gerade mal reichte es zu einem Eintrag auf Discogs, bewertet wurde die EP jedoch von keiner einzigen Person. Was man sonst noch findet, ist ein Youtube-Video ihres Release-Konzertes, das Stand Jetzt 31 Aufrufe hat - zwei davon stammen von mir! Auf was ich hinaus will? Vermutlich darauf, dass man die größten Schätze sogar in 2020 oft nur fand, wenn man verdammt tief gebuddelt hat. In dem Fall hat dies Steff fĂĽr mich erledigt. Er traf den Nagel in seinem Mini-Review dann auch gut auf den Kopf: "Ein bisschen Ebullition, ein bisschen Gravity, ein bisschen Planes mistaken for Stars". Und ganz viel Yaphet Kotto, wĂĽrde ich sagen. Denn an die erinnern mich The Yaupon Holly mit ihrem dĂĽsteren, stimmungsvollen Schrei-Emo inklusive ryhthmischer Stakkatos und hoher Musikalität einfach frappierend. Deswegen ein ausdrĂĽcklicher Appell an all' die tollen DIY-Labels da drauĂźen: Gebt diesen 5 hervorragenden Songs bitte ein richtiges Release! Vielleicht findet man auf Google dann irgendwann auch mehr zur Band und weniger zum Stechpalmengewächs...



2 // Soul Glo // Songs to Yeet at the Sun

Soul Glo's Album "The Nigga in me is me" war ja schon klasse, doch mit "Songs to Yeet at the Sun" legen sie nochmal einen drauf. Die einzelnen Komponenten aus überdrehtem Screamo, Dangers-mäßigen "Pissed-core", Blood Brothers/The Locust-mäßigen Spasten-Chaos und nicht nur gewollten, sondern auch gekonnten Düster-Raps ist besser als zuvor aufeinander abgestimmt und der Fluss der EP ist somit einfach wunderbar. Natürlich profitieren Soul Glo auch vom Format, denn das schlankere EP-Outfit steht ihnen einfach hervorragend. Wenn mich in der heutigen Hardcore-Szene ja etwas stört, ist es, dass es kaum mehr Originale gibt. Soul Glo sind eine der gaaaaaanz wenigen davon und ziehen ihr Ding weiterhin durch. Alleine dafür: Chapeau!



1 // Every Scar has a Story // Every Scar has a Story

Wenn Tom Schlatter ein neues Projekt am Start hat, ist Reinhören für mich Pflicht. Tom begleitet mich als Musiker schon ewig und einige seiner früheren Bands, allen voran Black Kites, aber auch You and I oder In First Person, verehre ich regelrecht. Mit Every Scar has a Story lieferte Tom 2020 eines seiner besten Werke ab. Und vermutlich haben wir's der Quarantäne im Frühjahr zu verdanken, denn in dieser Zeit schrieb er diese 3 Songs hier, spielte sie ein und schickte sie zu Rob Fish (108), der dann für Lyrics und Vocals zuständig war. Beeindruckt war ich vor allem von der Melodiösität dieser Songs, da Tom ja eher für Screamo und Heavy Hardcore bekannt ist. Mit Every Scar has a Story ging er jedoch eher in die Post-/Melodic-Hardcore-Ecke. Und dabei machte er einen famosen Job! Die Gitarrenarbeit von Tom hat unheimlich viel Herz und ist schlichtweg überragend, der Flow der Songs ist umwerfend und selbst Fish macht am Mic einen tollen Job und verleiht dem Ganzen den letzten Funken Überzeugungskraft. Auch wenn die Konkurrenz stark war, ist "Every Scar has a Story" ohne jeden Zweifel meine EP des Jahres! (Mini-Review)

Comments

  1. Hey, vielen Dank fürs Verlinken und die Erwähnung! Jetzt hat das The Yaupon Holly-Video übrigens 32 Aufrufe! Soul Glo sind übrigens Hammer!

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  2. Hey Steff, gerne doch, dein Blog ist und bleibt ein groĂźer Einfluss auf diesen hier :-D - und danke fĂĽr den Yaupon Holly-Klick. Vielleicht kommen wir dem Mysterium irgendwann ja auf die Spur, haha!

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